Information Schmerztherapie
Moderne Schmerzmedizin
In Deutschland leiden etwa 8 Mio. Menschen unter chronischen Schmerzen. Oft lässt sich deren Ursache nicht eindeutig finden oder nicht vollständig beheben. Der chronische Schmerz entwickelt sich als eigenständiges Krankheitsbild.
Bestehen Schmerzen über einen längeren Zeitraum, hat das neben der Beeinträchtigung der Lebensqualität des Patienten in der Regel auch Auswirkungen auf das Familienleben, den Freundeskreis und das Arbeitsleben.
Chronische Schmerzen sind ein bio-psycho-soziales Geschehen, d.h. die Schmerzkrankheit hat biologische, psychische, soziale und kulturelle Komponenten. Es handelt sich dabei um eine so vielschichtige Erkrankung, dass eine ganzheitliche Betrachtung zur Erstellung eines Therapiekonzeptes notwendig ist.
An den Schmerzzentren der großen Kliniken in Deutschland wird dem durch die Anwendung multimodaler Therapiekonzepte Rechnung getragen. Die Patienten werden interdisziplinär von Ärzten verschiedener Abteilungen behandelt; es gibt einen regelmäßigen Austausch zwischen den Behandlern in Teamsitzungen.
Die beteiligten Abteilungen sind meist
- die Anästhesiologie,
- die Neurologie,
- die Psychosomatik und
- die Abteilung für Physiotherapie.
Zusätzlich kommen auch alternative Heilmethoden zum Einsatz, wie Neuraltherapie, Akupunktur und Homöopathie.
Auch als niedergelassener Schmerztherapeut wird man ein multimodales Konzept zur Behandlung chronischer Schmerzen anwenden und einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen.
Theorien zur Entstehung der Schmerzkrankheit gibt es viele, aber letztlich ist bis heute die Ursache und der genaue Wirkmechanismus trotz umfangreicher Forschung nicht bekannt.
Die Schmerzkrankheit ist eine der ältesten Erkrankungen überhaupt und wurde schon bei den Griechen mit Weidenrinde, Hanf und Alkohol behandelt. Heute weiß man, dass in der Weidenrinde Acetylsalicylsäure enthalten ist – der Wirkstoff von Aspirin.
Ausgehend von Erkenntnissen der Psychosomatischen Medizin in den 1970er Jahren wissen wir, dass Schmerz als eigenständiges Phänomen mit einer Störung der »Psychoneuro-endokrin-immunologischen« Achse (PNEI-Achse) zusammenhängt. Das bedeutet, dass das Nervensystem (neuro-), das Hormonsystem (endokrin) und das Infektions-Abwehrsystem (Immunsystem) für die körperliche Manifestation der Schmerzen verantwortlich sind und die Psyche, also unsere Befindlichkeit, dabei mitbetroffen ist. Die Psyche ist an dieser Stelle nicht nur eine steuernde Komponente, sondern die körperlichen Beschwerden haben wiederum auch Auswirkung auf die Psyche. Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass die Reaktionen des Immun-, Hormon-und Nervensystems direkte Schäden im Gewebe oder an den Organen zur Ursache haben oder selbst verursachen, aber die psychische Komponente biochemisch und strukturell nicht fassbar ist. Man spricht deshalb auch von funktionellen Beschwerden, Symptomen also, die körperlich klar vom Patienten lokalisiert und beschrieben werden können, ohne dass ein Organschaden oder Gewebeschaden festgestellt werden kann. Funktionelle Beschwerden, die unseren Geist und unser Gemüt stark mit einbeziehen, sind ein dynamischer Prozess. Dynamisch heißt, ein bestimmter Reiz (z.B. ein Schmerz) wird nicht nur 1:1 in eine bestimmte Antwort umgesetzt, sondern er wird moduliert, kontrolliert, und vielschichtig umgesetzt. Das System ist dadurch lernfähig: es lernt, wichtige von unwichtigen Reizen zu unterscheiden. Dies ist letztendlich für unser Überleben maßgeblich, denn Schmerzen erleben und erleiden müssen wir alle im Verlauf des Lebens – Schmerzen gehören unmittelbar zum Leben dazu. Sie schützen uns vor Schäden an unserem Körper. Kein Wunder also, dass Schmerzerleben mit dem PNEI-System so zentral an unsere Lebenskraft gebunden ist.
Verselbständigt sich der Schmerz, verliert er seinen natürlichen Sinn und beginnt uns zu schaden und krank zu machen. Da in diesem Falle ein einfaches Ursache-Wirkungs-Prinzip nicht mehr greift, werden wir uns zur Behandlung der Schmerzen dem Schmerz selbst zuwenden müssen, statt weiter nach seiner Ursache zu suchen. Am Anfang einer Schmerztherapeutischen Behandlung steht also eine Schmerzanalyse.
Wie man seinen Schmerz wahrnimmt, ist individuell sehr verschieden. Wir empfinden unseren Schmerz, wir fühlen ihn nicht nur. Diese Empfindung drückt sich auf körperlicher, emotional-psychischer und geistig-situativer Ebene aus. Wenn wir Schmerzen behandeln wollen, macht es Sinn, sich dem Phänomen auf allen diesen Ebenen zu nähern. Je genauer die Schmerzanalyse gelingt, desto tiefer reichen die Therapiemöglichkeiten zur Lösung des Problems.